SK König Tegel 1949 e.V.

M-Klasse: Das Eispickel-Trauma

Prolog

In einem Fünfziger-Jahre-Film in Schwarz-Weiß über das Eisklettern in Alaska sind zwei Bergsteiger unterwegs. Einer klettert voraus und sichert, der andere hält die schwere 16-Millimeter-Kamera. Der Kommentar ist ruhig, und lakonisch sagt der Sprecher, als der Vordermann beim Sichern an der Eiswand zu sehen ist:

„Der Eispickel ist das wichtigste Werkzeug des Eiskletterers. Verliert er den Eispickel, so ist er verloren.“

Zum Scherz sagte ich damals zu meiner Freundin: „Oh mein Gott, ich stelle mir vor, wie mir das in diesem Moment klar wird, dass ich diesen Eispickel auf gar keinen Fall verlieren kann und ich vor lauter Entsetzen in voller Aufregung den Eispickel von mir werfe.“

Das Eispickel-Trauma

Gar nicht so leicht, über etwas zu berichten, was eindeutig das schlimmste Erlebnis ist, was ich jemals am Schachbrett hatte. Nach dem ich mit lauen 2 aus 5 in die Berliner Meisterschaft gestartet war, hatte ich heute Julian Nöldner mit Schwarz an Tisch 11. Die 3 aus 6 waren mehr als nur in greifbarer Nähe. Die 3 aus 6 hatten es sich schon gemütlich auf meinem Schoß gemacht und warteten nur, dass alles so passiert, wie es normalerweise eben so passiert.
Aber es geschah, was gleich in der Partie zu sehen ist.

Epilog

Magnus Carlsen hatte im Kandidatenturnier 2013 in London gegen Boris Gelfand eine Figur eingestellt, und er sagte, er brauchte zehn Minuten, diesen Schock wieder so weit loszuwerden, so dass er wieder klar denken konnte. Zum Glück sei ihm das gelungen und danach erkannte er, dass er trotzdem noch auf Gewinn steht.

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Noch krasser war sein Patzer gegen Gawain Jones in Wijk aan Zee 2017, als er mit Weiß eine glatte Figur im Drachen einstellte und sich danach derart berappelte, dass er die Partie sogar noch gewann.

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Fabiano Caruana berichtete aus der Praxis über Trauma-Vermeidung:

„I mean any like high-stakes event and if you don’t have any nerves that’s a bad sign that means either you don’t care or you’re so scared. I don’t know why anyone wouldn’t care or you’re just so scared that you’re gonna fail that your body is in shutdown mode and let’s preserve, let’s make sure that we don’t have any trauma so you’re telling yourself: I’m not going to succeed so let’s not put any nerves on it and that’s a very bad thing. Some nerves are good.

Your body is in shutdown mode and let’s preserve, let’s make sure that we don’t have any trauma so you’re telling yourself: I’m not going to succeed so let’s not put any nerves on it and that’s a very bad thing.

Fabiano Caruana

„In hochkarätigen Veranstaltungen ist es normal, nervös zu sein, da es zeigt, dass einem das Ergebnis wichtig ist. Extremes Nervenflattern kann jedoch nachteilig sein und kann entweder durch übermäßige Sorge oder Überwältigung durch die Angst vor Misserfolg verursacht werden. Wenn es dir überhaupt nicht wichtig ist, ist das kein gutes Zeichen. Es ist, als würde dein Geist versuchen, dich vor möglichem Trauma zu schützen, indem er deine Nerven dämpft. Dies ist keine gute Sache, da ein gewisses Maß an Nervosität vorteilhaft ist.

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Tabelle M-Klasse
Tabelle QT
Liveübertragung der ersten acht Bretter bei Lichess
Info-Seite des Berliner Schachverbands

Die siebte Runde beginnt am Freitag um 17 Uhr im Gemeindehaus Lichtenrade, Lichtenrader Damm 212, 12305 Berlin.